Europa zwischen Trump und Xi: Während Trump und Xi um die Weltmacht buhlen, reist von der Leyen am Donnerstag nach Peking – jedoch ohne große Erwartungen.
Europa zwischen Trump und Xi: Die Offenheit überraschte die anwesenden EU-Vertreter. Als Chinas Außenminister Wang Yi Anfang Juli EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas traf, sagte er ihr unverblümt: China will Russland in der Ukraine nicht verlieren sehen – denn dann würden die USA ihren gesamten Fokus auf Peking richten. Und das wolle man natürlich nicht.
China hat sich seit dem russischen Angriff auf die Ukraine nie gegen den Kreml gestellt, sondern die enge Partnerschaft unterstrichen. Gleichzeitig betont Peking aber, in der Ukraine “unabhängiger Beobachter” zu sein. Vorwürfe aus der EU, China würde Russland mit Rüstungsgütern unterstützen, weist Peking zurück. Die Offenheit Wangs – wie sie laut mehreren anwesenden Medien berichtet wurde – verblüffte daher.
Europa zwischen Trump und Xi: Aus chinesischer Perspektive wird Europa als verlängerter Arm der USA gesehen – als Handlanger. Doch gerade in den letzten Monaten haben sich die Rahmenbedingungen eklatant geändert: Seit Donald Trump wieder im Weißen Haus sitzt, ist Europa auf der Suche nach mehr Unabhängigkeit. Wie sich das auf die Beziehungen zu China auswirkt, könnte sich dieser Tage entscheiden.

Denn am Donnerstag findet in Peking der EU-China-Gipfel statt.
Der Termin steht eigentlich unter einem besonders denkwürdigen Stern: Heuer feiern die Volksrepublik und die Europäische Union 50 Jahre diplomatische Beziehungen. Viel mehr Gründe zum Feiern gibt es allerdings nicht. Wie schon die recht konfrontativen Vortreffen wie das zwischen Wang und Kallas gezeigt haben – aber auch scharfe Wortspenden von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen –, sind die Beziehungen nicht in bester Verfassung. Erst am Montag hat China neue EU-Sanktionen gegen Russland scharf kritisiert und mit Gegenmaßnahmen gedroht. Denn auch chinesische Unternehmen sind betroffen.
So ist die Stimmung zwischen Brüssel und Peking deutlich unterkühlt, Erwartungen an den Gipfel gedämpft. Eigentlich hätte der Gipfel zwei Tage dauern sollen – nun wird er aber in einem Tag, am Donnerstag, absolviert. Und dass die Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratspräsident António Costa auch mit Xi Jinping zusammenkommen werden, bestätigte Peking überhaupt erst Anfang dieser Woche. Die Message ist deutlich: Europa habe nicht viel zu bieten. Man lässt sich bitten.
China-Enthusiasmus weicht Skepsis
Noch vor rund 20 Jahren sah das anders aus. Peking freute sich über den China-Enthusiasmus in Europa. Auch wenn schon damals Menschenrechtsverletzungen in China angeprangert wurden, sah man die wirtschaftliche Zusammenarbeit als Chance. Mit dem Aufschwung werde auch die politische Wende kommen, waren viele überzeugt, eine Demokratisierung in der kommunistischen Autokratie.
Die europäischen Hoffnungen erfüllten sich freilich nicht. Noch als Xi 2012 an die Macht kam, blieb man optimistisch. Aber spätestens Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus 2017 brachte eine Zäsur: Trump erkor das global erstarkende China zum Staatsfeind Nummer eins. In diesem Windschatten wurde auch in Europa eine allgemeine China-Skepsis salonfähiger. Spätestens als 2021 Joe Biden das Ruder in Washington übernahm und Trumps kritische China-Politik weiterführte, passte sich Brüssel auch politisch an. In Sicherheitsfragen intensivierte sich zum Beispiel ein gemeinsames Auftreten gegen Chinas Drohgebärden im Südchinesischen Meer oder bezüglich Taiwan.
Aus dem Partner Peking wurde in Brüssel ein “Partner, Konkurrent und systemischer Rivale”, wie es ein EU-Papier schon 2019 beschrieb. Dieses strategische Umdenken war von ganz konkreten Schritten, auch von den einzelnen Mitgliedsstaaten, begleitet. Italien zog sich zum Beispiel 2023 aus Chinas Prestigeprojekt Neue Seidenstraße zurück. Andere Länder folgten, indem sie dementsprechende Erklärungen auslaufen ließen (siehe Grafik). Als ein chinesisches Unternehmen 2023 Anteile am Hamburger Hafen kaufte, ging ein Aufschrei durch Europa.
Europa sucht die Autonomie
Die China-Skepsis war im Mainstream angekommen. Emmanuel Macron bekam das 2023 im Flieger von Peking nach Paris zu spüren: Gegenüber Journalisten sinnierte er darüber, dass Europa mehr “strategische Autonomie” brauche – und kassierte prompt heftige Kritik. Wie kann der französische Präsident bloß so leichtsinnig Xis Forderung übernehmen, sich von den USA abzukapseln? Warum biederte er sich so billig an?
Zwei Jahre später haben sich die Vorzeichen massiv geändert. Trump ist 2025 ins Weiße Haus zurückgekehrt und zerschlug in dieser Funktion rasch altgediente transatlantische Gewissheiten. Für Trump ist die EU etwas, das gegründet wurde, “um die USA zu bescheißen” (“to screw the United States”), formulierte er im Februar. Für Brüssel war Washington mit einem Schlag fast so fern wie Peking, zumindest in manchen Belangen: ein unberechenbarer Egomane im Weißen Haus, ein Diktator im Zhongnanhai, dem Regierungsviertel Pekings. “Make America Great Again” in Übersee; die “Große Verjüngung der Nation” im Reich der Mitte. Willkür da wie dort.
In Brüssel war somit die bis dahin vor allem theoretisch diskutierte “strategische Autonomie” zur Notwendigkeit geworden. Kaum ein Strategiepapier oder Thinktank-Bericht, der aktuell ohne dieses Schlagwort auskommt. So stellt sich für Brüssel die Frage: Wie kann ein Umgang mit Peking gefunden werden, der weder von der früheren Naivität gegenüber der Weltmacht geprägt ist noch mit Anlauf Kurs auf Totalkonfrontation nimmt?
Rufe nach Neustart
Die Rufe nach einem Neustart sind jetzt vor dem Gipfel laut. Vor allem Wirtschaftstreibende sehen nun die Tür geöffnet, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Realpolitisch bleiben die Erwartungen aber gedämpft. Bei näherer Betrachtung der dringendsten Baustellen sind die Erfolgsaussichten gering.
Wirtschaftlich haben die Chinesen vor allem ein Anliegen: Sie wollen besseren Zugang, um ihre Elektroautos am europäischen Markt verkaufen zu können – ein kaum verhandelbarer Punkt für die Europäer, zum Schutz des eigenen Marktes. Brüssel will wiederum leichteren Zugang zu den wichtigen seltenen Erden Chinas. Hier hat sich Peking seinerseits äußerst träge gezeigt. Brüssel kämpft außerdem mit einem wachsenden Handelsdefizit: Zwischen 2018 und 2023 sind die Exporte nach China um fast 20 Prozent gesunken; die Importe aus China sind im selben Zeitraum um drei Prozent gestiegen. Die EU kritisiert zudem unfaire Wettbewerbsbedingungen, weil Unternehmen in China massiv subventioniert sind – anders als in Europa hat dort der Staat so gut wie immer das letzte Wort. Die dortige Überproduktion wird dabei auch für China zunehmend zum Problem.
Es dürfte bei all diesen Punkten aber wenig Bewegung geben. So bleibt als möglicher gemeinsamer Nenner der Bereich Klima. Schon in der Vergangenheit konnte man sich hier mit China wiederholt einigen. Vielleicht kommt es auch beim diesjährigen Gipfel zu einer gemeinsamen Erklärung in Sachen Klimapolitik.